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Palladio/Der Sturm

Die folgende Kurzgeschichte wurde als Begleitwerk für ein Konzert geschrieben. Für das komplette Erlebnis empfehle ich nach jedem Akt den dazugehörigen musikalischen Teil anzuhören. Der Epilog hat keinen dazugehörigen musikalischen Teil.


Palladio

Akt 1

„Schatz ich bin Zuhause.“ Karl saß im Wohnzimmer als seine Frau nach Hause kam. In letzter Zeit musste sie viele Überstunden machen.
„Du weißt, dass das nur Ausreden sind?“ Da war sie wieder, die Stimme in Karls Kopf. Sie nannte sich selbst Palladio und war bereits seit langer Zeit ein Teil von Karls Persönlichkeit.
„Das stimmt doch gar nicht. Sie muss wirklich viel arbeiten.“ Karl schüttelte den Kopf um Palladios Stimme loszuwerden. Seit seine Frau weniger Zeit für ihn hatte, war Palladio immer lauter und aufdringlicher geworden.
„Du weißt genau so gut, wie ich, dass sie dich betrügt.“ Palladio ließ nicht locker. „Diese Überstunden sind doch nur eine Ausrede.“
„Das sind Lügen.“ Karl wollte nicht hören, was Palladio zu sagen hatte. Seine Carolin würde ihn nicht betrügen, dessen war er sich sicher.
„Ich hab‘ nach der Arbeit noch was eingekauft. Ich würde uns was leckeres kochen.“ Carolins Stimme kam aus der Küche. Karl stand auf und ging zur Tür, die das Wohnzimmer mit der Küche verband und blieb im Türrahmen stehen. Er schaute seine Frau an, die er über alles liebte.
„Sie hat nach ihren Überstunden also noch Zeit zum einkaufen gehabt?“ Da war schon wieder Palladios Stimme. „Wieso ist sie nicht gleich nach der Arbeit zu dir gekommen? Sie liebt dich nicht!“
„Sei Still!“ Karl zischte, um Palladio zum Schweigen zu bringen. Carolin hatte ihn scheinbar gehört, denn sie sah ihn mit besorgtem Blick an.
„Ist alles in Ordnung? Du bist ziemlich blass mein Schatz.“ Carolin kam auf Karl zu und berührte ihn mit ihrer Hand im Gesicht. Karl spürte, wie sich sein Körper entspannte. Carolin hatte schon immer diese Wirkung auf ihn gehabt.
„Sie betrügt dich!“
„Ja,... es ist alles in Ordnung. Ich hab nur ein bisschen Kopfschmerzen.“
„SIE LIEBT DICH NICHT!“
„Trink etwas! Vielleicht geht's dir danach besser?“ Carolin drehte sich zum Schrank, um ein Glas herauszuholen. Sie füllte es mit Wasser und reichte es Karl, der es dankbar annahm. „Hilfst du mir beim Gemüse schneiden?“
Karl ging an die Küchenzeile und nahm das Messer in die Hand. Er begann das Gemüse zu schneiden, doch seine Hand zitterte bei jedem Schnitt.
„Hast du ihr Parfum gerochen, als sie dich berührt hat? Woher hat sie das? Das ist nicht von dir.“ Palladios Stimme drang wieder in Karls Kopf. Er versuchte ihn zu ignorieren, doch es half nichts. „Bestimmt hat sie es von ihrem Geliebten. Du solltest sie dafür bestrafen, dass sie dir fremdgeht.“ Karl schüttelte erneut mit dem Kopf, doch heute war Palladio besonders hartnäckig. „Wenn du sie nicht für dich allein haben kannst, wieso sollte sie dann irgendjemand haben?“ Karl zitterte am ganzen Körper. Er begann zu schwitzen. „Nimm einfach das Messer und beende es. Du weißt, dass sie es verdient hat.“
„HALT’S MAUL!“ Karl schrie. Er hatte das Messer nun so fest gegriffen, dass er fast einen Krampf in der Hand bekam.
„Schatz? Ist wirklich alles in Ordnung?“ Carolin klang besorgt.
„Tu es! Du musst nur zustechen. Sie wird dafür bezahlen, dass sie dich allein gelassen hat.“
„SEI STILL! SEI DOCH ENDLICH STILL!“ Karl hatte nun das Glas von der Küchentheke geschlagen, sodass es an der Wand in tausende Einzelteile Zersprang.
„Karl, du machst mir Angst!“ Carolin ging langsam in Richtung Tür. Karl wollte ihr keine Angst einjagen, doch er konnte nur noch Palladios Stimme hören.
„NA LOS! TU ES!“
Carolin schrie, als sie losrannte, doch Karl war schneller. Er packte sie am Arm und stach zu. Nicht einmal, nicht zweimal. Er tat es immer und immer wieder, bis Carolins Blut nicht nur ihn, sondern auch das Sofa und einen großen Teil des Teppichs rot färbte.



Akt 2

Karl realisierte, was er soeben getan hatte. Seine Carolin war tot. Er war verantwortlich für den Tod der Frau, die er doch eigentlich liebte. Sie war schon immer die Einzige gewesen, die ihn so akzeptiert hatte, wie er war. Als Karl die Diagnose der Schizophrenie erhielt, war sie die Einzige, die ihn nicht von sich stieß. Sie war die Einzige, die erkannte, dass er einfach nur krank war. Und in ihrer Nähe konnte Karl sich entspannen. Er liebte Carolin dafür und er hätte alles für sie getan. Nachdem sie geheiratet hatten, zogen sie in eine andere Stadt, weit weg von den schlechten Erinnerungen. Sie wollten gemeinsam ein neues Leben beginnen und gemeinsam alt werden. Doch jetzt war sie tot. Was hatte er getan? Warum hatte er das getan? Er wusste, dass es Palladio war, der ihn dazu getrieben hatte, doch er selbst war es, der die Tat begangen hatte. Karl hielt seine Frau im Arm und begann zu weinen. Seine Tränen fielen auf Carolins Gesicht, welches mit entsetztem, aber doch leerem Blick in die Ferne starrte. Palladio war zumindest so nett und ließ Karl diesen Moment der Trauer. Vielleicht genoss er auch einfach nur Karl’s Leid. Egal, was es war, Karl fühlte sich einsam.





Akt 3

„Du hast sie getötet.“ Palladio war wieder da. „Du musst sie loswerden.“
„Was? Nein!“ Karl zog die Nase hoch. Er wusste nicht, wie lang er geweint hatte.
„Doch! Die Nachbarn haben mit Sicherheit schon die Polizei gerufen. Du musst die Beweise vernichten.“ Palladio klang nervös. Karl lies sich davon anstecken.
„Die Polizei? Ich will nicht ins Gefängnis.“
„Dann tu etwas!“
„Und was?“ Karl schaute sich panisch im Raum um, doch er wusste nicht, was er tun sollte.
„Du hast doch den Benzinkanister in der Garage neulich aufgefüllt. Nimm den und dann verbrenn alles!“ Palladio war nun überall in Karl’s Kopf. Karl dachte gar nicht mehr daran gegen Palladio anzukämpfen. Wie in Trance stand Karl auf und verließ das Haus. Er öffnete das Garagentor und holte den Kanister voll Benzin heraus. Er ging zurück ins Haus und verschüttete überall im Wohnzimmer das Benzin. Er holte eine Schachtel Streichhölzer aus einem der Schränke und ging zurück zu Carolin’s Leiche ins Wohnzimmer. Er entzündete das Streichholz, doch bevor er es fallen ließ, fiel sein Blick auf Carolin. Er zögerte. Er konnte doch nicht einfach alles verbrennen, was er liebte?
„Worauf wartest du? Lass es brennen!“ Palladio’s Stimme war zu mächtig. Ohne weiter darüber nachzudenken lies Karl das brennende Streichholz fallen und machte sich auf den Weg das Haus zu verlassen. Als das Streichholz den benzingetränkten Boden berührte, schossen die Flammen in die Höhe und begannen alles zu verbrennen, was sich ihnen in den Weg stellte. Karl hatte inzwischen das Haus verlassen und stand in der Einfahrt. Er sank auf die Knie, als er sah, wie sein Haus und damit seine Heimat in Flammen aufgingen. Sein Kopf begann sich zu drehen. Er fühlte einen tiefen Schmerz und Trauer, doch da war Palladio, der etwas in ihm auslöste. Palladio lachte aus vollem Herzen.
„JA! BRENN! BRENNE BIS NICHTS MEHR ÜBRIG IST!“ Karl bemerkte es nicht, doch es war nicht nur Palladio der lachte. Er selbst hatte nun ebenfalls begonnen zu Lachen. Die Nachbarn kamen aus ihren Häusern und waren entsetzt, wie Karl in der Einfahrt seines Grundstückes saß und blutbeschmiert darüber lachte, wie sein Haus abbrannte. Die Sirenen waren schon von weitem zu hören. Die Polizisten waren die ersten, die bei Karls Haus eintrafen.
„Ihr seid zu spät! Sie ist bereits tot. Ich habe sie umgebracht. ICH WAR DAS!“ Karl schrie die Polizisten an, die mit gezogenen Waffen auf ihn zukamen. Einer der Polizisten packte Karl am Arm und versuchte ihn auf den Boden zu zwingen. Karl kämpfte mit aller Kraft dagegen an. Palladio feuerte ihn dabei an, doch die Polizisten waren stärker. Die Handschellen klickten, als gerade die Feuerwehr in die Einfahrt einbog. Karl sah in seinem Wahn, wie die Feuerwehrleute begannen das Haus zu löschen, doch er wusste, es war zu spät. Als Karl schließlich im Polizeiauto saß, begann er erneut zu weinen. Er fühlte sich erneut einsam und allein. Palladio hingegen war immer noch mit Lachen beschäftigt.



Epilog

Karl wurde verurteilt, doch brachte man ihn nicht ins Gefängnis. Man brachte ihn in eine psychiatrische Klinik. Er bekam mehrmals am Tag Tabletten und Palladio war seitdem immer seltener in seinem Kopf. Die Pfleger und Pflegerinnen waren wirklich nett, doch niemand konnte seine Carolin ersetzen. Manchmal sah er sie in seinen Träumen und jedes mal, wenn er es tat, wünschte er sich, dass er nie wieder aufwachen würde.




Auf Anfrage des Konzertmeisters hier noch eine kinderfreundlichere Variante:


Der Sturm


Akt 1

Die alte Eiche hatte schon viele Stürme erlebt, doch an diesem war etwas anders. Der Wind heulte und pfiff, so wie er es immer tat, wenn es stürmte. Diesmal war jedoch etwas anders. Der Himmel war gerade noch strahlend hell, als sich plötzlich dunkle Wolken vor die Sonne schoben. Der Wind zerrte an der alten Eiche, stand sie doch vollkommen ungeschützt auf einem kleinen Hügel. Sie spürte, wie ihre alten Wurzeln dagegen ankämpften den Halt zu verlieren. Der Wind machte es ihr nicht einfach. Er war bereits stark und wurde immer stärker. Manchmal flaute er wieder ab, nur um dann noch stärker zurückzukehren. Die alte Eiche jedoch hielt stand. Es begann zu regnen und der Boden begann aufzuweichen. Die Alte Eiche merkte, wie der Wind immer mehr an ihr zog und zerrte. Ihre Wurzeln versuchten im Boden verankert zu bleiben, doch die Erde wurde durch den Regen weich und gab leicht nach. Die alte Eiche konnte es nicht fassen. Ihre Wurzeln versagten und sie begann zu kippen. Das Erdreich riss auf und der große, majestätische Baum fiel.


Akt 2

Die alte Eiche lag am Boden. Traurig und geschockt darüber, was gerade geschehen war. Hunderte Jahre hatte sie überdauert. Sie hatte viele junge Menschen kommen und gehen sehen. Manche haben in ihrem Schatten gelegen und die Wolken beobachtet. Andere hatten eine Schaukel an ihren Ästen angebracht und die alte Eiche hatte Freude an den Kindern, die sie genutzt hatten. Über die Jahre hatte die alte Eiche auch viele Bewohner. Eichhörnchen, Spechte und viele andere Tiere hatten ihre Nester in der Eiche gehabt. Doch all das war nun vorbei. Sie konnte nur darauf hoffen, dass sie erneut Wurzeln schlagen konnte, um dennoch zu überleben. Vielleicht hatte sie so noch eine Chance erneut schöne Zeiten zu erleben.

Akt 3

Der Sturm wurde wieder stärker. Der Regen nahm zu und es begann zu Donnern. Die alte Eiche bekam es mit der Angst zu tun. So etwas hatte sie noch nie erlebt. Blitze begannen den Himmel zu füllen und der Donner war ohrenbetäubend. Die alte Eiche hatte das Gefühl, dass es von Sekunde zu Sekunde dunkler wurde und der Himmel nur erleuchtet wurde, wenn einer der Blitze darüber huschte. Der Wind und der Regen schienen die Eiche zu verhöhnen, denn sie flauten immer wieder ab, nur um danach stärker als zuvor zurückzukehren. Die alte Eiche erschrak, denn ein Blitz begann in ihrer Nähe einzuschlagen. Sie hatte Angst. Sie hatte Angst davor, vom Blitz getroffen zu werden. Ein weiter Blitz traf den Boden, ganz in der Nähe der Eiche. Es dauerte nicht mehr lang, und die Eiche wurde von einem weiteren Blitz getroffen und der Baum fing an zu brennen.


Epilog

Viele Jahre war der Hügel, auf dem die alte Eiche stand leer geblieben. Doch irgendwann begann etwas aus der Erde hervorzubrechen. Es war ein junger Keimling, der irgendwann einmal zu einem stattlichen Baum werden sollte. Ein Eichhörnchen hatte eine Eichel der alten Eiche kurz vor dem Sturm vergraben, woraus das neue Leben entstand.

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