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Folge 3: Die Akte Cousland


Eure Majestät, die Steuereinnahmen, sind im letzten Jahr leicht zurückgegangen, aber die Ausgaben sind gestiegen. Laut meinen Hochrechnungen wird sich dieser Trend fortsetzen, wenn wir nicht radikale Änderungen in der Struktur unseres Steuerwesens durchführen.“ Gaspard Coulomb war Finanz- und Wirtschaftsminister des Königs von Koramar. Gaspard hatte hart dafür gearbeitet, diesen Posten zu erreichen, denn er war nur der Bastardsohn eines Adligen und damit selbst irgendwo zwischen dem Adel und dem gemeinen Volk einzuordnen. Er hatte es durch sein kluges Handeln und sein selbstbewusstes Auftreten geschafft, alle anderen hinter sich zu lassen und hatte dann seine Macht in dieser Position genutzt, um einen Bürokratieapparat zu erschaffen, der es unmöglich machte ihn zu ersetzen.


Was wollt Ihr mir damit sagen Gaspard? Habe ich kein Geld mehr?“ Der König war sichtlich gelangweilt. Er hasste es, sich mit den Finanzen des Reiches auseinanderzusetzen. Lediglich im Ausgeben des Geldes war er einsame Spitze.

Doch, eure Majestät, die Schatzkammern sind noch gut gefüllt...“


Na, warum sitzen wir dann hier?“


..., doch wird sich das ändern, wenn nichts geschieht.“ Gaspard hatte den Kommentar des Königs ignoriert. Anders war dem jungen König auch nicht beizukommen. Der alte König Ragnar hatte Gaspard geschätzt und unterstützt, denn unter seiner Leitung hatten sich die Schatzkammern schnell gefüllt, nachdem sie durch den langen Krieg gegen Priamor fast vollständig geleert worden waren. Doch König Ragnar war seit drei Jahren tot und sein Sohn Erik hatte den Thron bestiegen. Erik war, im Gegensatz zu seinem Vater, mehr daran interessiert möglichst viel zu Feiern. Die regelmäßigen Treffen mit Gaspard waren ihm ein Dorn im Auge, denn für seinen Geschmack sprach dieser Emporkömmling viel zu viel über Zahlen.


Und was erwartet Ihr jetzt von mir?“ Der König saß auf seinem Stuhl und legte die Füße auf den Tisch vor ihm. Gaspard ignorierte dieses respektlose Verhalten, denn selbst wenn er etwas gesagt hätte, so wäre es immer noch der König, mit dem er sprach. So ungern er es auch zugab, aber Erik konnte tun, was er wollte.


Ich würde vorschlagen, ihr reduziert die Ausgaben, für eure Festivitäten. Die Feierlichkeiten am Platz des Baumes...“


Kommt nicht in Frage! Könnt ihr nicht einfach irgendwelche neuen Steuern erfinden? Oder was ist mit den Magiergilden? Können wir nicht aus denen noch etwas mehr herausquetschen?“ So sehr Gaspard auch den König verabscheute, so hasste er die Magier noch mehr. Sie waren eine unberechenbare Kostenquelle. Gaspard hatte bereits viel durch Steuern abfangen können und der alte König Ragnar hatte es begrüßt, dass die Magiergilden unter eine gewisse Kontrolle gebracht wurden. Doch ganz egal, wie sehr Gaspard sie auch besteuerte, die Magier rissen regelmäßig große Löcher in den Staatshaushalt. Vor allem die Gilde Eisenwald war ihm ein Dorn im Auge.


Ich werde sehen, was ich tun kann. Ich fürchte nur, dass es vielleicht zu Protesten kommen könnte. Es wäre wirklich einfacher, wenn Ihr weniger feiern würdet, eure Majestät.“ Den letzten Satz hatte der König ignoriert.


Gut, gut, dann seht zu, wie ihr mir mehr Geld beschaffen könnt. Und jetzt geht!“ Der König wandte sich von Gaspard ab und mit einer abfälligen Handbewegung winkte er den Mann nach draußen. Gaspard verbeugte sich vor dem König, der das ganze jedoch schon gar nicht mehr wahrnahm, da er überlegte, wo er heute feiern gehen sollte.


Gaspard verließ das Zimmer und ging den Gang entlang, der ihn zu seinem Büro führte. Er hatte von König Ragnar ein eigenes Zimmer im Schloss erhalten, wo er leben und arbeiten konnte. Erik hielt es nicht für nötig daran etwas zu ändern, was Gaspard dazu in die Lage brachte, ein Auge auf den König und seine Eskapaden zu werfen. Was Gaspard dem König nicht erzählte war, dass die Steuern durchaus reichten, um die Ausschweifungen des Königs zu bezahlen, doch da Gaspard sich einiges für seine eigenen Geschäfte abzweigte, kam es zu Problemen. Gaspard hätte einfach darauf verzichten können seine eigenen Pläne voranzutreiben, doch er dachte nicht im Traum daran. Er hatte seinen Raum erreicht und betrat die Kammer. Das Zimmer war weitläufig und geräumig. Eine kleine Treppe teilte die Kammer in zwei Teile. Im hinteren Abteil standen Gaspards persönliche Sachen. An den Wänden hingen mehrere Gemälde berühmter Maler. Ein großer Schrank aus Mahagoni stand neben einem ebenfalls aus Mahagoni bestehenden Himmelbett. Ein Fensterbogen ermöglichte den Blick auf die Stadt und damit auch auf den Baum Yggdrasil, der über allem thronte. Im vorderen Bereich der Kammer befand sich Gaspards Arbeitsbereich. Ein Schreibtisch stand mittig auf der Fläche und war fein säuberlich mit geordneten Akten und Dokumenten belegt worden. Der Stuhl, der dahinter stand, war ebenso wie der Schreibtisch aus edlem Ebenholz und glich mehr einem Thron, als einem einfachen Stuhl. Das Einzige, das auffällig und irgendwie fehl am Platz wirkte, war ein kalter, metallener Tresor, in dem Gaspard seine geheimsten Dokumente aufbewahrte. Selbst der König wusste nicht, was darin verwahrt lag, wenngleich es ihn auch nicht interessierte. Gaspard setzte sich an seinen Schreibtisch und sah die neuesten Unterlagen durch. Er hatte sämtliche verwaltungstechnischen Aufgaben an seine Untergebenen abgetreten. Lediglich alles, was mit Magiern und ihren Gilden zu tun hatte, kam auf direktem Weg zu Gaspard. Er wollte einen Daumen auf der Verwaltung dieser Gilden halten, denn er traute ihnen nicht. Sie waren eine gute Geldquelle, doch wusste er nur zu gut, wozu Magier in der Lage waren, wenn sie sich nicht an die Regeln hielten. Er überwachte sie, benutzte sie und verabscheute sie, doch am liebsten wäre es ihm gewesen, wenn sie allesamt einfach verschwinden würden. Gaspard schaute auf seine Akten und sah einen Antrag der Gilde Eisenwald. Den Namen Harvey Porter hatte er schon oft gelesen. Er war ein Magier aus irgendeinem fernen Land gewesen. Angeblich war er dort sogar auf einer Schule für Magier, doch für all das gab es keinerlei Beweise. Seit drei Jahren wartete Gaspard nun schon auf eine Rückmeldung dieser Schule. Bis jetzt war aber nichts gekommen, also war dieser Magier in Gaspards Augen eine Gefahr für die Bürger Koramars, denn wenn Eisenwald so vehement auf die Aufnahme bestand, dann konnte es nichts Gutes bedeuten. Gaspard schob den Antrag zu den anderen in einen Aktenordner und wollte gerade die nächsten Dokumente ansehen, als ein klopfendes Geräusch seine Aufmerksamkeit erregte. Er stand auf und ging in Richtung Fenster, denn von dort kam das Klopfen. Er schaute hinaus, doch nichts war zu sehen. Er wollte gerade wieder gehen, als ein Vogel auftauchte und vor dem Fenster hin und her flatterte. Gaspard schaute genauer hin und sah, dass der Vogel aus Papier bestand. Er rollte mit den Augen, als er erkannte, dass es sich um Magie handeln musste. Er öffnete das Fenster und der Papiervogel flog herein. Er schwirrte um Gaspards Kopf, der ihn zu fangen versuchte. Es war gar nicht so leicht, doch schließlich konnte Gaspard den Vogel schnappen und ihn zu seinem Schreibtisch bringen. Die Magie ließ nach und Gaspard hatte nun mehrere zerknitterte Blatt Papier vor sich. Er brauchte gar nicht lang überlegen, was das war, denn er sah das Zeichen von Eisenwald. Es war noch ein Antrag zur Aufnahme eines neuen Mitgliedes. Gaspard seufzte. Hörten diese wandelnden Sicherheitsrisikos denn niemals auf sich zu vermehren? Er wollte den Antrag bereits ablehnen und abheften, als er den Namen des Magiers las, der aufgenommen werden sollte. Dort stand der Name Aedan Cousland. Cousland... Wo hatte er diesen Namen nur schon einmal gehört? Er dachte nach, doch es wollte ihm nicht einfallen. Er legte den Stempel mit der Aufschrift „Abgelehnt“ wieder zurück und schaute gedankenversunken durch das Zimmer. Sein Blick fiel auf einen Schrank, in dem alte Akten gelagert waren. Aus einem Impuls heraus ging er zu diesem Schrank und öffnete dessen Türen. Alphabetisch sortierte Ordner standen darin und beinhalteten sämtliche Anträge und Dokumente über jeden arbeitenden Magier in Koramar. Gaspards Ziel war jedoch der Ordner in dem Magier mit dem Buchstaben C aufbewahrt wurden. Er zog die Akten aus dem Schrank und ging mit drei dicken Ordnern zurück zu seinem Schreibtisch. Er durchsuchte die Dokumente, auf der Suche nach einem Cousland, doch er fand nichts. Er fand Ciryakos, Clover und Crassus, doch ein Cousland war nicht darin zu finden. Ihm fiel jedoch auf, dass einige Seiten fehlten. Einzig ein kleines, abgerissenes Stück Papier, das zurückgeblieben war, zeugte davon, dass zwischen Clover und Crassus einst ein Cousland gewesen sein könnte. Gaspard kam das alles sehr verdächtig vor, doch am meisten ärgerte es ihn, dass jemand in SEINEN Unterlagen herumgeschnüffelt haben musste. Er beschloss der Sache auf den Grund zu gehen, denn ein Magier, von dem Niemand etwas weiß, ist ein schlechter Magier. Er überlegte, was er nun tun sollte. Dass dieser Aedan Cousland nicht der Gleiche war, an den sich Gaspard zu erinnern versuchte, war ihm klar, doch vielleicht waren sie miteinander verwandt. Er hatte einige Möglichkeiten, um herauszufinden, was das alles sollte, doch zuerst nahm er einen der Stempel von seinem Schreibtisch. Er drückte ihn auf das Papier und als er ihn wieder anhob, prangte dort ein leuchtend roter Schriftzug. Dort stand nun „Angenommen“. Das einzelne abgestempelte Blatt verwandelte sich wieder in einen Vogel und flog aus dem Fenster. Der restliche Papierstapel blieb auf Gaspards Schreibtisch zurück und Gaspard begann die Dokumente zu sortieren. Es würde sicherlich nicht schaden mit diesem Aedan Cousland ein Gespräch zu führen, doch vorher musste Gaspard einige andere Dinge erledigen. Bis es so weit war, sollte der Junge ein Teil von Eisenwald sein. Vielleicht würde sich ja auch schon bald von selbst eine Chance ergeben, um herauszufinden, worum es hier ging. Gaspard hatte die Dokumente einsortiert und stellte die Aktenordner zurück in den Schrank. Er ging zurück zu seinem Schreibtisch und legte sämtliche anderen Akten auf die Seite. Er überlegte, was er nun als nächstes tun sollte. Eines war ihm jedoch klar. Diese Angelegenheit würde seine volle Aufmerksamkeit beanspruchen.


Fortsetzung folgt




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